Weltanschauungsbeauftragter Dr. Daniel Rudolphi ordnet die Trauerfeier von Charlie Kirk und den Shitstorm gegen Annette Behnken ein.
Herr Dr. Rudolphi, zehntausende Menschen betrauern in einem Stadion den Tod eines Podcasters und Aktivisten; auch der Vizepräsident und der Präsident der USA waren dabei und haben Reden gehalten. Was denken Sie, wenn Sie die Bilder der Gedenkfeier für Charlie Kirk sehen?
Daniel Rudolphi: Ich halte das für äußerst besorgniserregend. Die Gedenk- und Trauerfeier entwickelte sich zu einer parteipolitischen Großveranstaltung. Eines vorweg: Der Mord an Charlie Kirk ist ohne jeden Zweifel als schweres Unrecht zu verurteilen und durch nichts zu rechtfertigen – auch nicht durch dessen politischen Ansichten. Was wir jedoch erlebt haben, war eine Instrumentalisierung dieses Mordes zu eindeutig machtpolitischen Zwecken. Die Verbindung von Politik und prominenten Vertretern der evangelikalen Bewegung war dabei besonders auffällig. Einzelne Beiträge rückten Glauben und Trauer in den Mittelpunkt – etwa die durchaus bewegende Rede von Erika Kirk, in der sie dem Attentäter ihres Mannes vergibt. Andere hingegen zeichneten sich durch eine aggressiv-kämpferische Rhetorik aus. Besonders hervorzuheben sind dabei die Beiträge von Vizepräsident J.D. Vance, Stephen Miller, einem von Donald Trumps „Chefideologen“, sowie dem evangelikalen Podcaster Benny Johnson.
Was genau finden Sie besorgniserregend?
Rudolphi: Eigentlich gibt es in den USA eine klare Trennung von Staat und Kirche – das ist einer der Grundsätze ihrer Verfassung. Bei der Gedenkfeier haben wir erlebt, wie diese Trennung verwässert wird und sich das Konzept eines christlichen Nationalismus mehr und mehr durchsetzt.
Man kann das gut an der Rede des Podcasters Benny Johnson festmachen. Johnson erklärt fast wörtlich, dass Gott die Trump-Regierung eingesetzt habe, um in den Kampf gegen das Böse zu ziehen. Die einzelnen Ministerien seien so etwas wie göttliche Waffen. Als das Böse – so wird es im Gesamtkontext der Veranstaltung deutlich – wird der politische Gegner dargestellt. Präsident Trump macht dies in seiner Rede unmissverständlich klar. Es geht nicht mehr um den Wettstreit unterschiedlicher politischer Positionen, sondern es wird ein Dualismus propagiert, bei dem die Republikaner auf der Seite des Guten und die Demokraten auf der Seite des Bösen stehen. Wenn eine Partei oder politische Bewegung für sich beansprucht, Gott eindeutig auf ihrer Seite zu haben, wird es brandgefährlich.