Hilfe und Prävention

Weitere Informationen

Die Evangelische Agentur setzt sich aktiv gegen jede Form von Missbrauch ein und bietet vielfältige Hilfs- und Beratungsangebote an. „Wir stehen für eine machtsensible Kirche und treten für eine Kultur der Achtsamkeit ein“, sagt Mirko Peisert, Direktor der Evangelischen Agentur.

Die Kontaktstelle für Spirituellen Missbrauch berät Betroffene und bietet erste Orientierung bei Fragen zu Machtmissbrauch im religiösen Kontext.

Das Team Kinder und Jugendliche unterstützt als Landesjugendpfarramt bei Anliegen rund um Kindeswohlgefährdung.

Das Team Generationen und Geschlechter sensibilisiert mit verschiedenen Angeboten zu Gewalt gegen Frauen.

Unsere Arbeit erfolgt in enger Abstimmung mit der Fachstelle zur Prävention von sexualisierter Gewalt, um Schutz und Prävention zu stärken.

Spiritueller Missbrauch

Was ist das?

Andere Bezeichnungen für Spiritueller Missbrauch sind Geistlicher Missbrauch oder Missbrauch geistlicher Autorität. Spiritueller Missbrauch liegt vor, wenn Menschen ihre Macht oder Autorität ausnutzen und die spirituelle Selbstbestimmung anderer Menschen verletzen, um auf deren Lebensentscheidungen Einfluss zu nehmen. Spiritueller Missbrauch kann eine Strategie zur Anbahnung sexualisierter Gewalt sein, ist aber von dieser zu unterscheiden. Mögliche Folgen des Spirituellen Missbrauchs sind psychische oder physische Erkrankungen.

 

Mit wem kann ich sprechen?

Machtmissbrauch im religiösen Kontext hat Auswirkungen auf das Leben und die Gesundheit. Deswegen gibt es Ansprechpersonen, die speziell bei spirituellem Missbrauch zur Verfügung stehen:

Hille de Maeyer
Hille de Maeyer

Pastorin | Referentin
Kontaktstelle Spiritueller Missbrauch

Telefon:
0511 1241-461
Daniel Rudolphi
Dr. Daniel Rudolphi

Pastor
Beauftragter für Weltanschauungsfragen

Telefon:
0511 1241-140
Thomas Steinke
Thomas Steinke

Pastor | Referent
Team Spiritualität

Telefon:
0511 1241-457

Was tun die Ansprechpersonen?

Die Ansprechpersonen stellen sich auf die Seite der Betroffenen. Sie tun ihr Bestes, um betroffenen Personen mit Respekt und Verständnis zu begegnen.

In einem ersten Gespräch, das persönlich, telefonisch oder per Videokonferenz (zum Beispiel über Zoom) stattfinden kann, klären Ansprechpersonen und betroffene Personen gemeinsam, welche Art von Unterstützung gewünscht ist.

Folgende Möglichkeiten der Unterstützung gibt es:

  • Beratung
  • Beistand und Begleitung
  • Orientierung und Stabilisierung
  • Informationen zu externen Beratungsangeboten

Die betroffenen Personen entscheiden über Zeit, Ort und Inhalt eines Gesprächs sowie die Art der Unterstützung. Sie können wählen, ob sie ein einzelnes Gespräch führen oder mehrere Gespräche in Anspruch nehmen möchten. Alle Gespräche sind vertraulich und unterliegen der Schweigepflicht.

Für Kirchengemeinden, Kirchenkreise, Konvente und Gremien gibt es folgende Angebote:

  • Beratung
  • Fachvorträge
  • Seminare und Workshops

 

Was ist noch von Interesse?

Spiritueller oder Geistlicher Missbrauch ist vielschichtig und vielgestaltig. Es gibt ihn in allen religiösen Kontexten: In der Gemeindearbeit, der Seelsorge sowie der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen, in Geistlichen Gemeinschaften oder Personalverantwortlichkeiten. Er kann in Zweier-Beziehungen oder in Beziehungsgefügen von mehreren Personen auftreten.

 

Definition

Für Spirituellen oder Geistlichen Missbrauch gibt es (noch) keine allgemeingültige Definition.

Spiritueller oder Geistlicher Missbrauch liegt vor, wenn Menschen in einem religiösen Kontext ihre Macht oder Autorität ausnutzen, um eigene Interessen durchzusetzen. Sie verletzen die spirituelle Selbstbestimmung anderer, um auf deren Lebensentscheidungen Einfluss zu nehmen.

Charakteristisch für den Spirituellen oder Geistlichen Missbrauch ist eine asymmetrische Machtstruktur. Dabei ist das Machtgefälle nicht notwendigerweise an ein Amt oder eine exponierte Stellung in einer Hierarchie gebunden. Der Machtmissbrauch kann auch von Personen an der Basis ausgehen, die innerhalb eines Beziehungsgefüges über eine besondere Autorität verfügen. Man spricht deshalb auch von Missbrauch geistlicher Autorität.

Viele Fragen sind noch offen: Wo genau beginnt Spiritueller Missbrauch? Wie lassen sich Grauzonen beschreiben? Wie können Menschen vor Spirituellem Missbrauch geschützt werden?

 

Kriterien zum Erkennen von Spirituellem Missbrauch

Für Menschen, die von Spirituellem Missbrauch betroffen sind, ist dieser oft schwer zu durchschauen. Die folgenden Kriterien sind Anhaltspunkte zum Erkennen von Spirituellem Missbrauch. Sie müssen nicht alle gleichzeitig zutreffen und können unterschiedlich stark ausgeprägt sein. (Vgl. Arbeitshilfe der Deutschen Bischofskonferenz Nr. 338 „Missbrauch geistlicher Autorität. Zum Umgang mit Geistlichem Missbrauch“ vom 31.05.2023)  

Manipulation

Ein Kriterium für Spirituellen Missbrauch ist die Manipulation. Macht missbrauchende Autoritäten zielen darauf ab, die Gedanken, Bewertungen und Empfindungen anderer Menschen zu unterdrücken. Unter Berufung auf Gott oder die Bibel drängen sie andere zu Lebensentscheidungen, die diese von sich aus so nicht treffen würden. Ständig erzeugte Schuldgefühle und Schuldängste dienen der Einschüchterung.

Kontrolle

Macht missbrauchende Autoritäten üben Kontrolle aus. Sie erwirken Kontaktbeschränkungen und -verbote mit dem Ziel der Entfremdung und der Isolierung nach innen und außen.

Das Erzwingen von Anpassung und Konformität durch bewusste theologisch-geistliche Engführung unterbindet eigene spirituelle Deutungen und Entscheidungsfindungen. Eine Zensur bei Büchern, Medien und Zeitschriften verhindert eine kritische Auseinandersetzung mit vorgegebenen Glaubenssätzen

Exklusivität

Macht missbrauchende Autoritäten betonen die Exklusivität eines Beziehungsgefüges. Sie machen eine moralische Überlegenheit gegenüber Außenstehenden geltend und beanspruchen für sich einen direkten Zugang zur Wahrheit. Kritische Äußerungen sind nicht erlaubt, nicht konforme Meinungen oder Haltungen werden diskreditiert. Menschen, die als „zu schwach“, „zu stark“, „zu unangepasst“, „zu kritisch“ wahrgenommen werden, wird mit Ausschluss gedroht.

Ideologisierung

Macht missbrauchende Autoritäten ideologisieren ihre religiösen Wertvorstellungen. Sie deuten zentrale theologische Begriffe oft völlig anders als Außenstehende, um ihre Anschauungen zu untermauern. Ein Verhalten, das hinter den Idealen zurückbleibt, wird kritisiert, mit Sünde gleichgesetzt, möglicherweise sogar bestraft. Die gesellschaftliche Wirklichkeit außerhalb des Beziehungsgefüges wird oft als feindlich und böse abgewertet.

 

Spiritueller Missbrauch und Sexualität

Ein Thema, das vermehrt im Kontext von Spirituellem Missbrauch in den Blick gerät, ist die geistlich begründete Kontrolle von sexueller Orientierung und Sexualität. Wenn auf Menschen Druck ausgeübt wird, ihre Homosexualität, Bisexualität oder Transgeschlechtlichkeit zu leugnen, sie als Krankheit zu bewerten oder als Folge von Sünde zu betrachten, ist das als Spiritueller Missbrauch zu werten. Das Hineindrängen in eine Konversionstherapie oder die Forderung, ein Leben lang auf eine Beziehung zu verzichten, verneinen die Individualität eines Menschen.

Gleiches gilt für eine geistliche Überhöhung sexueller Reinheit (Purity Culture). Im Vordergrund steht eine bestimmte Interpretation der Bibel, die die Durchsetzung von Macht und die Stabilisierung eines Systems ermöglicht.

 

Auswirkungen

Spiritueller oder Geistlicher Missbrauch kann schwere psychische und physische Folgen haben, die bisweilen lebenslang nachwirken. Er kann in die soziale Isolation führen oder mit finanzieller Ausbeutung einhergehen. Nicht selten wird er zur Anbahnung und Rechtfertigung von Sexualisierter Gewalt genutzt. Trotz dieser Überschneidung ist Spiritueller Missbrauch ein eigenständiges Thema.

Eine Sensibilisierung für das Thema Spiritueller oder Geistlicher Missbrauch sowie Kenntnisse über seine Erscheinungsformen helfen dabei, dem Missbrauch geistlicher Autorität vorzubeugen, ihn zu erkennen und zu ahnden.